Die St.-Vitus-Kirche ist die älteste Kirche in Heidelberg. Sie wird im Jahre 774 erstmals urkundlich erwähnt.
St. Vitus 1910 mit Dachreiter
Geschichte
Ihre Lage abseits des alten Dorfkerns deutet darauf hin, dass sie ursprünglich eine Eigenkirche war und durch Schenkung eines vermögenden Grundherrn mit dessen Hofgut an das Kloster Lorsch kam. Sie war, wie auch die Lorscher Mutterkirche, dem Heiligen Nazarius geweiht. Nachdem das Kloster Lorsch im frühen 13. Jahrhundert vom Erzbistum Mainz übernommen wurde, hat das Schutzpatrozinium in Sankt Vitus und Sankt Georg gewechselt. Die dritte Patronin, die Heilige Lioba, ist in Vergessenheit geraten, wird aber im „Madonnenländchen“ und im „Bauland“ heute noch hoch verehrt.
Im Lorscher Chronikon erfahren wir um 1050 von einem (Beinahe-) Neubau durch Abt Arnold von Lorsch. Der Anbau des Turmes wird auf die Zeit um 1100 datiert. Um 1250 wird die Kirche auf eine dreischiffige Basilika erweitert. Um 1470 wird für die in unmittelbarer Nähe sesshaft gewordenen Augustinerinnen der sogenannte „Nonnenchor“ eingebaut. Die Entfernung der Säulenarkade zum nördlichen Seitenschiff war dieser Baumaßnahme vorausgegangen.
Die Chronik spricht von einer Erweiterung des Chores im hochgotischen Stil durch Diether V. von Handschuhsheim im Jahre 1483. Auch die südliche Säulenarkade und die Fenster wurden der neuen Stilrichtung angepasst. Um 1500 ist, vermutlich durch ein gewaltiges Erdbeben, die westliche Turmhälfte eingestürzt. Wahrscheinlich erlitt die Michaelsbasilika auf dem Heiligenberg das gleiche Schicksal.
Bis 1910 wurde die Vituskirche gemeinsam von Katholiken und Protestanten benutzt, danach zogen die Protestanten in die neu errichtete Friedenskirche ein. Dreißig Jahre nach der Eingemeindung Handschuhsheims zu Heidelberg wurde die Vituskirche 1933 bis 1934 durch den Architekten Franz Sales Kuhn nach Norden erweitert, dadurch wurde der evangelische Friedhofsteil überbaut. Zu dem alten Baubestand von 19 Metern kamen 11 Meter Erweiterung hinzu, so dass das Gotteshaus im Grundriss 30mal ca. 30 Meter, fast ein Quadrat, darstellt.
Die Vituskirche war ehemals die Grablege der Ritter von Handschuhsheim. Ungefähr dreißig Grabsteine und Epitaphe erinnern an das einstige Rittergeschlecht, das mit Johann V. im Jahre 1600 ausgestorben ist.
St. Vituskirche vor der Erweiterung der Dreißiger Jahre
Ausstattung des Kircheninneren
Heiligenfiguren im Alten Chor und im Altarraum sind Meisterwerke von Karl Rissler, Freiburg und Emil Sutor, Karlsruhe.
Die hohen gotischen Fenster im Alten Chor zieren Glasmalereien mit biblischen Motiven von Valentin Feuerstein aus Neckarsteinach.
Die an der Südseite der Kirche aufgebrachten Fresken werden auf die Zeit um 1450 datiert. Sie zeigen in zwei Übereinanderliegenden Reihen das Leben und Leiden Jesu Christi.
In den beiden romanischen Fensternischen links und rechts vom Haupteingang sind Abbildungen von zwei männlichen und zwei weiblichen Heiligen zu sehen:
Jakobus, der Ältere – Schutzheiliger der Pilger und Wanderer
Wendelin – Schutzheiliger der Bauern und Viehzüchter
Odilie – Schutzheilige bei Augenleiden und
Apollonia – Schutzheilige bei Zahnkrankheiten
Die sieben kreisförmigen Fenster in den beiden niederen Seitenteilen sind Stiftungen von Handschuhsheimer Familien aus den 30er Jahren, zur Zeit der Kirchenerweiterung. Sie stellen die sieben katholischen Sakramente Taufe, Firmung, Eucharistie, Buße, Krankensalbung, Priesterweihe und Ehe dar.
Glocken
Hoch oben in der Glockenstube hängen sieben Glocken, die vor Jahren schon Oberbaurat Rolli als das harmonischste Geläut Heidelbergs beurteilt hat. Sechs davon sind namentlich benannt, nur die kleinste, die Abendglocke aus dem Jahre 1791 hat keine nähere Bezeichnung. Sie ist von dem berühmten Glockengießer Anselm Speck aus Alt-Heidelberg gegossen.
Fünf der alten Glocken wurden zu Kriegszwecken im Zweiten Weltkrieg vom Turm geholt. Nur das Abendglöckchen und Sankt Verena haben überlebt. Das heutige Geläut setzt sich zusammen aus:
1) Abendglöckchen 1791 Anselm Speck
2) Sankt Verena 1921 Gebrüder Bachert, Karlsruhe
3) Jesus 1951 Wilhelm Schilling, Heidelberg
4) Maria 1951 Wilhelm Schilling, Heidelberg
5) Vitus 1951 Wilhelm Schilling, Heidelberg
6) Johannes 1964 Wilhelm Schilling, Heidelberg
Konzilglocke „Alle sollen eins sein“
7) Franziskus 2015 Gebrüder Bachert, Karlsruhe
Jubiläumsglocke zu „1250 Jahre Handschuhsheim“
Obwohl die Vituskirche den Besucher nach dem Eintreten durch die verschiedenen Baustile ein wenig verwirrt, ist sie doch, nach mancherlei Umbauten und Veränderungen, ein andächtiger Ort geblieben, an dem man Ruhe und Zufriedenheit finden kann. (eh)