Handschuhsheim erkunden

Historische Orte im Stadtteil

Eine lange Liste von Eigentümern

Seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts war der so genannte Knebelhof beurkundet. Auf dessen Areal errichtete der mit Agnes von Landschad verheiratete Dam Philipp Knebel 1609 das repräsentative Herrenhaus, das nach seinem Tod in den Besitz der Landschaden von und zu Steinach überging. Diese Familie starb 1653 aus, und die Erben verkauften das Gut an den pfälzischen Hofmarschall Friedrich von Landas.

Landas musste erleben, wie 1674 das Schlösschen von den Soldaten des französischen Vicomte Turenne niedergebrannt wurde. Nur der Turm mit dem Zwiebeldach, an dem heute noch die Jahreszahl 1609 zu lesen ist, und das Treppentürmchen auf der Rückseite überstanden die Zerstörung und blieben beim Wiederaufbau erhalten. Landas Enkelin veräußerte den gesamten Besitz 1701 an den Obristen Johann Friedrich Strupp von Gelnhausen, von dessen Erben es im Jahr 1725 der pfälzische Regierungsrat Josef Benedikt Jungwirth erwarb, der das Gut 1762 an den geistlichen Administrationsrat Johann Ludwig Harscher weiter verkaufte. Der veräußerte des Besitz an seinen Vetter Nikolaus Hummel, ein Mitglied des großen Rates von Basel.

1783 erwarb der Waisenhausschaffner Karl Rottmann das Wohnhaus sowie den Hof mit Scheuer und Stallungen, während der größte Teil der übrigen Liegenschaften an die reformierte Geistliche Güterverwaltung, die heutige evangelische Pflege Schönau, überging. Bis 1836 blieb das Schlösschen Eigentum der Familie Rottmann. Dann kaufte es Carl Adolf Uhde, dessen Sohn es 1861 an die Familie Graham veräußerte. Seit 1916 ist die Stadt Heidelberg Eigentümerin.

Schlosschen 1912
Schlösschen_1912 (Foto:Tiefburgarchiv)

Reformer der Landwirtschaft

Es war ein Glücksfall für Handschuhsheim, dass sich 1769 Stephan Gugenmus hier niederließ und vom damaligen Besitzer des Schlösschen, dem Administrationsrat Harscher, dessen landwirtschaftlichen Flächen und Wirtschaftsgebäude pachtete. Gugenmus, 1740 in Bretten im Kraichgau geboren, bearbeitete seine Äcker in einer den Handschuhsheimer Bauern bis dahin völlig unbekannten Art und Weise. Er gab die Dreifelderwirtschaft (ein Jahr Wintersaat, ein Jahr Sommersaat, ein Jahr Brachland) sowie den Getreideanbau auf und hielt sein Vieh im Stall. Er säte Klee für die Stallfütterung und brachte den Dung auf die Felder zurück. Außerdem führte er den Anbau von Hopfen ein und den Anbau von Krapp, dessen Wurzeln in der Färberei gebraucht wurden, während das Kraut als Futter diente.

Die Handschuhsheimer Landwirte eiferten dem Beispiel von Gugenmus nach und lernten von ihm zudem, wie der Gartenbau erfolgreich vom Hausgarten aufs Feld übertragen und dort in großem Umfang betrieben werden konnte. Als Gugenmus 1778 in Mannheim starb, hatte er den Grundstein für einen vorbildlichen Standort des Gemüseanbaus gelegt, der Handschuhsheim auch heute – 250 Jahre danach – noch ist. An Stephan Gugenmus erinnert sowohl ein Straßenname als auch eine kleine Platzanlage beim Handschuhsheimer Friedhof mit einer Gedenktafel, auf der seine Verdienste um die hiesige Landwirtschaft und den Gemüseanbau verewigt sind.

Schätze aus Mexiko

Carl Adolf Uhde, der 1836 das Schlösschen von Helene Rottmann erwarb, hatte zuvor viele Jahre als erfolgreicher Kaufmann in Mexiko gelebt. Von dort brachte er eine umfangreiche Sammlung exotischer Gegenstände mit, darunter Masken, Töpferwaren, Waffen, Werkzeuge, Instrumente und Mineralien sowie zahlreiche Tierpräparationen vom Gürteltier über Vögel und Amphibien bis zu Insekten, dazu Korallen und Früchte. Seine Sammlung, die von Zeitgenossen als „beste ihrer Art in Europa“ und „zahlreicher als jene im Museum zu Mexiko“ bezeichnet wurde, stellte er in einem Nebengebäude aus. Sie machte – ebenso wie die von seiner Gattin Eliza Uhde organisierten Soirees – das Schlösschen zu einem auch adelige Gäste anziehenden gesellschaftlichen Treffpunkt.

Carl Adolf Uhde starb 1856. Es war sein Wunsch, dass seine „Sammlung Mexikanischer Altertümer und Naturalien“ nach seinem Tod vollständig in Berlin aufbewahrt werden sollte. Vermutlich fühlte er sich als gebürtiger Brandenburger dieser Stadt besonders verbunden. Sein Sohn Adolf ließ, als er das Anwesen 1861 an John Benjamin Graham verkaufte, die Sammlung versteigern, wobei das Königlich Preußische Museum zu Berlin den Zuschlag erhielt. Die aus mehr als 5.000 Einzelstücken bestehende Sammlung wurde danach zunächst im Neuen Museum auf der Berliner Museumsinsel aufbewahrt und ist jetzt im Museum für Völkerkunde in Berlin-Dahlem zu sehen.

Großzügige Mäzene

Der neue Besitzer des Schlösschens, John Benjamin Graham, kam 1813 in London zur Welt. In Sheffield erlernte er das Handwerk des Tapezierers und Polsterers. Als 26-Jähriger ging er nach Australien, arbeitete dort als Gastwirt und Kaufmann und erwarb im richtigen Moment die Anteile einer neu erschlossenen Kupfermine – und war plötzlich eine sehr reicher Mann. 1849 heiratete er in London Louisa Rymill, mit der er 1855 nach Frankfurt am Main übersiedelte, weil er und seine Frau die Luftverhältnisse dort als wesentlich gesünder empfanden als in London.

John Benjamin Graham 1813 1876
John Benjamin_Graham 1813-1876 (Foto: Tiefburgarchiv)

Auf der Suche nach einem Sommersitz nicht allzu weit von Frankfurt wurde er in Handschuhsheim fündig und erwarb das Schlösschen mitsamt dem Park. Von nun an verbrachte die Familie Graham meist die Zeit von Frühling bis Herbst in Handschuhsheim und den Winter in Frankfurt oder in England. Aufgrund ihrer außerordentlichen Freundlichkeit und Großzügigkeit war die Familie im Dorf sehr beliebt. Weil Graham den von Uhde angelegten Park auch für die Dorfbewohner öffnete, war der Name des eigentlichen Schöpfers der Anlage bald vergessen, und in der Bevölkerung setzte sich der Name Graham-Park durch.

Teepavillon im Park 1865 Louisa Graham
Teepavillon im Park 1865 Louisa Graham (Foto: Tiefburgarchiv)

In besonderem Maße unterstützten John Benjamin und Louisa Graham die von Jakob Volk gegründete christliche Kinderschule, für die sie fast alle Ausgaben übernahmen. Louisa Graham starb 1870 und wurde auf dem Friedhof Handschuhsheim beigesetzt. Als John Benjamin 1876 in England starb, hatte er verfügt, an der Seite seiner Frau bestattet zu werden. Das Familiengrab der Grahams befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zum Grab der Familie Uhde.

Sohn Harry Robert verwaltete das Schlösschen weiterhin ganz im Sinne seiner Eltern und setzte gemeinsam mit seiner Schwester Luise Maud auch die Unterstützung der Kinderschule fort. Bei Ausbruch des ersten Weltkrigs ging Harry Robert Graham, der zeitweilig auch dem britischen Parlament angehörte, nach England zurück. Um einer Enteignung durch den deutschen Staat zuvorzukommen, übertrug er Schlösschen, Park und alles was dazu gehörte seinem Verwalter Jakob Pollich mit der Ermächtigung, den Besitz zu veräußern. Von Pollich erwarb die Stadt Heidelberg 1916 das gesamte Areal.

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1904 Ansicht von Osten (Foto: Tiefburgarchiv)

Die Jugendherberge

1921 richtete die Stadt Heidelberg die Jugendherberge im Schlösschen ein. Handschusheim wurde dadurch für die wander- und radfahrbegeisterte Jugend zum Tor nach Heidelberg. Zwar zählte man im Gründungsjahr gerade einmal 1.754 Übernachtungsgäste, aber bereits fünf Jahr später war deren Zahl auf über 15.000 gestiegen. Ab 1928 stand deshalb ein zusätzlicher Herbergsbau zur Verfügung. 1932 übersprang die Zahl der Übernachtungen die 40.000. Danach ging es allerdings bergab, weil die Hitlerjugend das Jugendherbergswerk und somit auch die Heidelberger Jugendherberge übernommen und durch die Gleichschaltung aller Jugendverbände das freie Wandern und Fahren fast unmöglich gemacht hatte. Und dann begann der zweite Weltkrieg.

1928 Jugendherberge Volksbad
1928_Jugendherberge-Volksbad (Foto: Tiefburgarchiv)

Nachdem Ende April 1949 die Jugendherberge wieder eröffnet hatte, kamen im gleichen Jahr zunächst noch rund 12.500 Gäste, aber schon 1953 waren es mehr als 63.600. Obwohl auch zeitweise die benachbarte Tiefburg in den Jugendherbergsbetrieb einbezogen und während der Sommerferien zusätzliche Übernachtungsmöglichkeiten in den Klassenräumen der Tiefburgschule angeboten wurden, waren die Baulichkeiten im Zentrum von Handschuhsheim diesem Ansturm nicht mehr gewachsen.

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Jugendherberge Handschuhsheim (Foto: Tiefburgarchiv)

1956 zog – unter Protest der Handschuhsheimer Geschäftswelt – die Jugendherberge in einen Neubau neben dem Heidelberger Zoo am Rande des Neuenheimer Feldes.

Das Schlösschen heute

Dadurch konnte die Stadt Heidelberg das Schlösschen zur vorübergehenden Aufnahme junger Flüchtlinge aus der DDR und aus Ungarn, wo es 1956 zum Volksaufstand gekommen war, nutzen. Danach diente das Haus zur Unterbringung der Sonderschule für geistig Behinderte, bis diese Anfang der 1970er Jahre als Graf-von-Galen-Schule ein eigenes Schulgebäude im Stadtteil Pfaffengrund erhielt. 1974 zog die Städtische Musik- und Singschule in das Schlösschen ein. Fast 30 Jahre lang hatte sie hier ihren musikpädagogischen Mittelpunkt und ihren Verwaltungssitz. Zwar verlegte sie 2003 ihren Hauptsitz in den Stadtteil Bergheim, ihre Übungsräume im Schlösschen und dessen Nebengebäuden behielt sie jedoch bei.

Im Erdgeschoss des Schlösschens bietet heute das städtische Bürgeramt seine Dienste für die Bewohner Handschuhsheims an. Im Obergeschoss hat der Universitätsverlag Winter seinen Sitz. (br)

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