Handschuhsheim erkunden

Historische Orte im Stadtteil

 Wann und von wem die Tiefburg erbaut wurde, ist nicht bekannt. Als Bauherren kommen entweder das Kloster Lorsch infrage oder die Pfalzgrafen bei Rhein, die späteren Kurfürsten von der Pfalz. Möglich ist auch, dass die Burg ihren Ursprung in einem befestigten Gutshof hatte, dessen Bewohner zum Ortsadel des zu diesem Zeitpunkt schon mehrere hundert Jahre bestehenden Dorfes Handschuhsheim gehörten und vom Kloster Lorsch als Ministeriale in Dienst genommen wurden.

Die in der Tiefburg lebenden Ritter von Handschuhsheim waren weder die Herren noch die Namensgeber des Dorfes, sondern nannten sich nach dem Ort, an dem sie wohnten. Schon früh waren einzelne Mitglieder der Ritterfamilie bis in hohe Ämter der kurpfälzischen Verwaltung aufgestiegen. Nach dem Niedergang der ehemals mächtigen Reichsabtei Lorsch wurden die Ritter von Handschuhsheim treue Gefolgsleute der im benachbarten Heidelberg residierenden Kurfürsten. Besonders eng wurde das Verhältnis, nachdem Handschuhsheim, das bis dahin zum Gebiet des Erzbistums Mainz gehörte, 1460 durch Annektion an die Pfalz gefallen war.

Mit dem Tod des Ritters Johann (Hans) V., der am 31. Dezember 1600 im Alter von 15 ½ Jahren den Verletzungen erlag, die ihm in einem Duell zugefügt worden waren, erlosch die Adelsfamilie. 1623 ging die Tiefburg durch Erbschaft in den Besitz der Freiherren und späteren Grafen von Helmstatt über. (br)

Zustand 1910
Tiefburg – Ruine 1910 nach den Zerstörungen (Foto: Tiefburgarchiv)

Zu dieser Zeit tobte bereits der 30-jährige Krieg, der Handschuhsheim und die Tiefburg mehrfach in Mitleidenschaft zog wurden. Der französische Vicomte Turenne brandschatzte 1674 die Burg erneut, bevor im pfälzisch-orléanschen Erbfolgekrieg der französische General Melac am 31. Januar 1689 das Dorf Handschuhsheim verwüsten und die Tiefburg völlig zerstören ließ. Die Herren von Helmstatt errichteten darauf hin östlich neben der Ruine ein neues Gutshaus an der Stelle, an der sich heute das Restaurant „Helmstätter Herrenhaus“ befindet. Das Tor des früheren Gutshauses ist noch im Original erhalten.

Der eingemauerte Ritter

In der Zeit, als die Tiefburg den Söhnen von Georg von Helm­statt, den Freiherren Damian Hugo (1719-1782) und Johann Ferdinand Josef (1727-1803), kurpfälzischer Obristlieutenant, zu gleichen Teilen gehörte, machte man in den alten Gemäuern eine merkwürdige Entdeckung: Eines Tages im Jahre 1770 inspizierte Freiherr Ferdinand von Helmstatt mit seinem Freund, dem kurpfälzischen General von Rothenhausen die Burg. Im kleinen Verlies im Untergeschoss des Standerkers ließ er an einer Stelle, die beim Abklopfen ein hohles Geräusch von sich gab, die Mauer öffnen, und noch wie die Ziegel zu Boden fielen, fand sich dort eine reiche, goldbeschlagene Rüstung und ein steinhart gewordener Laib Brot und ein Wasserkrug. Der Körper des unbekannten Ritters soll beim Öffnen der Mauer in Staub zerfallen sein. Ob das Einmauern eine Strafe oder eine besondere Form der Bestattung darstellte, ist bis heute nicht bekannt.

Ritter
Der eingemauerte Ritter (Foto: Teufel)

Die angeblich mit Gold verzierte Rüstung schenkte Helmstatt seinem Freund, der sie dem damaligen Kurfürsten Carl Theodor vermachte. Dadurch kam die Rüstung zunächst in die Antiquitätensammlung nach Düsseldorf und dann in die königliche Altertumssammlung nach München, später ins Deutsche Museum in Nürnberg, von wo sie jedoch im Zweiten Weltkrieg spur­los verschwand. Die Ritterrüstung, die heute die Mauernische unter der ehemaligen Burgkapelle ausfüllt, wurde 1977 durch die so genannten Rittersleut des Gesangvereins Liederkranz gestiftet und vom Stadtteilverein Handschuhsheim dort aufgestellt.

Die Tiefburg heute

Das heutige Erscheinungsbild der Tiefburg geht auf ihren Wiederaufbau durch Raban Graf von Helmstatt zurück. Er ließ die Ruine in den 1910 bis 1913 mit Unterstützung der Stadt Heidelberg restaurieren, um sie dieser dann zu vermieten. 1921 wurde im benachbarten Schlösschen die Jugendherberge eingerichtet und die Tiefburg in den Jugendherbergsbetrieb mit einbezogen. In der so genannten Ritterstube fand ein Schlafsaal mit 24 Betten Platz, im Keller wurden Fahrräder abgestellt.

Restauration 1911
Restaurierungsarbeiten 1911 (Foto: Tiefburgarchiv)

Zu Beginn der 1930er Jahre war die Tiefburg Schauplatz der Handschuheimer Burgfestspiele, in deren Rahmen vor allem Theaterstücke mit heimatgeschichtlichem Hintergrund aufgeführt wurden.

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Free Light Games in 1932 (photo: Tiefburg Archives)

Graf Rabans Sohn Bleickard verkaufte 1950 die Tiefburg für 35.000 Mark endgültig an die Stadt Heidelberg, die sie dem Stadteilverein Handschuhsheim zur Nutzung und Verwaltung anvertraute. Seitdem bildet die Tiefburg die romantische Kulisse für eine Vielzahl von Veranstaltungen der Handschuhsheimer Vereine. Vor allem steht sie im Mittelpunkt der jährlichen dreitägigen „Hendsemer Kerwe“. Die Teilüberdachung des Burghofs im Jahr 1980 und der Ausbau von Räumen im Burgkeller und im Wohnturm haben die Tiefburg als Veranstaltungszentrum weiter aufgewertet.

In einem der großen Kellergewölbe unter dem Burghof hat die Herrengesellschaft „Schlaraffia Heidelberga“ ihren Sitz. Die Obergeschosse des Wohnturms sind nach historischem Vorbild über eine hölzerne Außentreppe zu erreichen. In ihnen sind die Geschäftsstelle des Stadtteilvereins Handschuhsheim (der von hier aus auch die Liegenschaften Altes Rathaus und Carl-Rottmann-Saal betreut) sowie die Bestände des Stadteil-Archivs untergebracht.

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Büro des Archivars (Foto: Genthner)

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Leseraum des Archivs (Foto: Genthner)

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Besprechungszimmer des Archivs (Foto: Genthner)

 Tiefburg